Die Herausforderung der Transfusionssicherheit und der okkulten HBV-Infektion (OBI)

Die allgemein anerkannte Definition einer okkulten HBV-Infektion (OBI) ist eine Infektion, die durch einen Test auf das Hepatitis-B-Oberflächenantigen (HBV) (HBsAg) nicht nachweisbar ist, jedoch durch molekulare DNA-Tests im Serum oder in einer Leberbiopsie erkannt werden kann. Da HBV selbst mit den fortschrittlichsten serologischen Tests nur sporadisch nachweisbar ist und die Viruslast in Serum und Plasma sehr niedrig bleibt, stellt es trotz serologischer und NAT-Tests von Spenderblut weiterhin die größte virale Gefahr für die Übertragung durch Bluttransfusionen dar. Wir werden erörtern, warum OBI schwer zu erkennen ist und wie sich die Testprotokolle weltweit unterscheiden.

Hepatitis-B-Nachweis

Das Hepatitis-B-Virus (HBV) ist ein umhülltes Virus. Jedes Virion (Viruspartikel oder Dane-Partikel) hat einen Durchmesser von 42 nm. Die drei Oberflächenproteine des HBV – S (klein), pre-S2 (mittel) und pre-S1 (groß) – können virale Subpartikel in Form von Stäbchen und Kugeln bilden. Diese viralen Subpartikel kommen häufiger vor als Dane-Partikel („übergeordnete“ Virionen).

Serologische (Antikörper) und DNA-Marker treten zu unterschiedlichen Zeitpunkten im klinischen Verlauf der HBV-Infektion auf. HBV-DNA kann bereits 15 Tage nach der Infektion durch Nukleinsäuretests (NAT) nachgewiesen werden. Dem frühen Infektionsmarker folgen das Hepatitis-B-Oberflächenantigen (HBsAg) und das Hepatitis-B-e-Antigen (HBeAg), welches ein Hinweis auf die Infektion ist. Bei einer chronischen (langfristigen) HBV-Infektion können noch Jahre nach der Infektion Antikörper gegen HBsAg, HBeAg und das Kernantigen (Anti-HBc) nachgewiesen werden. Aufgrund der okkulten HBV-Infektion (OBI) bei Spendern ist HBV nach wie vor die häufigste Virusinfektion nach Bluttransfusionen [Esposito et al. 2017].

Aufgrund der okkulten HBV-Infektion (OBI) bei Spendern ist HBV nach wie vor die häufigste Virusinfektion nach Bluttransfusionen.

Was ist eine okkulte HBV-Infektion (OBI)?

Die OBI wurde erstmals 1970s bei chronisch leberkranken Patienten beschrieben, bei denen zwar HBV-DNA nachgewiesen wurde, das HBsAg jedoch negativ war.
 
Bei einem internationalen Workshop in Taormina, Italien, im Jahr 2008 wurde die OBI von der Europäischen Gesellschaft für das Studium der Leber (European Association for the Study of the Liver) wie folgt definiert [Esposito et al. 2017; Raimondo et al. 2008]:
 
„Das Vorhandensein von HBV-DNA in der Leber mit nachweisbarer oder nicht nachweisbarer HBV-DNA im Blut von Personen, die mit den derzeit verfügbaren Tests negativ auf HBsAg getestet wurden.“
 
In der Praxis wird die OBI jedoch häufig als das Vorhandensein von HBV-DNA im Serum ohne Nachweis von HBsAg definiert. Patienten mit einer OBI können seropositiv für Anti-HBs, Anti-HBc oder beides sein.
 
Die OBI wird jedoch häufig als das Vorhandensein von HBV-DNA im Serum ohne Nachweis von HBsAg definiert.

Prävalenz von OBI

Die Prävalenz einer OBI variiert mit der HBV-Prävalenz, den Populationsmerkmalen und der Sensitivität der zum Nachweis verwendeten Assays. Verschiedene geografische Gebiete können nach der HBV-Prävalenz eingeteilt werden [Esposito et al. 2017]: 

  • Hohe Endemizität (Prävalenz ≥8 %) – Amazonasbecken, China, Südostasien und Afrika südlich der Sahara
  • Intermediäre Endemizität (Prävalenz von 2–8 %) – Osteuropa, Mittelmeerraum und Naher Osten
  • Niedrige Endemizität (Prävalenz von < 2 %) – Australasien, Nord- und Westeuropa, Nord- und Südamerika

Die Serumspiegel der HBV-DNA bei Patienten mit OBI sind im Allgemeinen niedrig. Beispielsweise gibt es Berichte über Wiederholungsspender, die negativ für HBsAg, aber positiv für Anti-HBs und Anti-HBc waren, mit DNA-Konzentrationen zwischen 8–260 IE/ml über einen Zeitraum von 7 Jahren. Da niedrige Viruslasten manchmal nahe an der Nachweisgrenze des NAT-Tests (≈5–10 IE/ml) liegen, empfehlen mehrere Länder zusätzliche serologische Tests auf Anti-HBc und andere virale Marker (siehe unten) [Esposito et al. 2017].

Die Daten deuten stark darauf hin, dass Wirtsreaktionen, darunter Immunreaktionen und epigenetische Faktoren (d. h. kovalente Modifikationen von DNA oder Histonproteinen sowie posttranskriptionelle Veränderungen) eine entscheidende Rolle bei der Beeinflussung der HBV-Aktivität spielen. Eine Koinfektion durch HBV und andere Organismen kann ebenfalls ein möglicher Mechanismus für eine OBI sein. Umgekehrt scheint die virale genomische Variabilität keine grundlegende Rolle für den OBI-Status zu spielen [Kwak und Kim, 2014].

Infektionsrisiko durch OBI bei Blutspenden

Blutspender mit OBI können HBV durch Blutspenden und Organtransplantationen übertragen. Das Infektionsrisiko durch OBI hängt davon ab [Allain et al. 2013; Esposito et al. 2017]:

  • ob es sich bei dem transfundierten Produkt um ein Thrombozytenkonzentrat, Erythrozyten (ERY) oder gefrorenes Frischplasma (fresh frozen plasma, FFP) handelt. In diesen Fällen sind die virale Dosis und das transfundierte Plasmavolumen die wichtigsten Faktoren, die die HBV-Übertragung beeinflussen. Das Risiko einer HBV-Übertragung auf ungeimpfte Patienten durch einen Anti-HBs-negativen OBI-Träger beträgt 24 % bei Erythrozyten, 51 % bei Thrombozytenkonzentraten und 85 % bei FFP.
  • Der Spender ist Anti-HBs+. Bei Spendern, die sowohl Anti-HBs+ als auch Anti-HBc+ sind, kann sich das Risiko einer HBV-Übertragung auf den Empfänger verfünffachen. Zudem ist eine HBV-Übertragung durch einen OBI-Träger mit hohen Anti-HBs-Werten unwahrscheinlich, obwohl eine Übertragung durch Träger, die „nur Anti-HBc“-Blutprodukte spenden, möglich ist. In Regionen mit hoher HBV-Endemizität haben die meisten Transfusionsempfänger bereits eine HBV-Infektion gehabt. Daher ist das Infektionsrisiko nach der Transfusion im Allgemeinen gering, obwohl es bei zuvor nicht mit HBV infizierten Personen hoch ist. In der Regel bietet ein Anti-HBs-Spiegel des Spenders <100 IE/l nur einen begrenzten Schutz gegen das normalerweise geringe Risiko einer HBV-DNA-Übertragung. In weiten Teilen der Welt senkt die HBV-Impfung auch das Übertragungsrisiko.
  • Der Empfänger ist immunkompetent (d. h. hat ein normal funktionierendes Immunsystem).

Nachweis einer okkulten HBV-Infektion

NAT ist ein wirksames Verfahren zum Nachweis von OBI. Diese Methode ermöglicht die tägliche Verarbeitung und Freigabe einer großen Anzahl von Blutprodukten, einschließlich solcher mit kurzer Halbwertszeit wie Thrombozytenkonzentrate. Für den Einsatz des NAT zum Nachweis von HBV sind jedoch zwei wesentliche Faktoren hervorzuheben und erneut zu betonen [Esposito et al. 2017]:

  • Der NAT-Nachweis des humanen Immundefizienzvirus oder des Hepatitis-C-Virus ist im Allgemeinen effektiver als der NAT-Nachweis von HBV. Das liegt daran, dass die HBV-Replikation langsam ist: Die Zeit für die Verdoppelung der Viruslast beträgt ≈2.6 Tage, selbst in den frühen Stadien der Infektion.
  • Bei Patienten mit OBI ist die Menge der vorhandenen HBV-DNA sehr gering.

 
Individual donation (ID)-NAT testing can reach a sensitivity of a few IU/mL and shows sensitivity advantages over pool or mini-pool (MP) testing for OBI detection [Esposito et al. 2017]. For example, during 4 years of ID-NAT in South Africa, and in which almost 3 million blood donors were screened, 177 cases of OBI were identified. Among these cases, 75 were of the anti-HBc+/anti-HBs– variety and were potentially infectious [Vermeulen et al. 2012]. Generally, in regions of low HBV endemicity (eg, Australasia), MP-NAT for HBV is appropriate; conversely, in regions of high HBV endemicity (eg, China), ID-NAT should be used to enhance blood-supply safety [Esposito et al. 2017].

Um hohe HBV-Nachweisraten zu gewährleisten, implementieren einige Blutspendeeinrichtungen Strategien für Wiederholungstests. In Südafrika beispielsweise werden nach einem ersten reaktiven Ergebnis zusätzliche Duplikat-NAT-Tests sowie spezifische Diskriminierungstests durchgeführt. Proben, die sowohl bei den NAT- als auch bei den serologischen Tests wiederholt reaktiv ausfallen, gelten als bestätigte Infektionen. Die betroffenen Spender werden darüber informiert und zur weiteren Abklärung erneut einbestellt [Vermeulen et al. 2012]. Spenden, die bei NAT oder Diskriminierungstests wiederholt reaktiv, aber bei serologischen Tests negativ sind, werden als potenzielle NAT-Ergebnisse klassifiziert. Diese Spender werden kontaktiert und um eine weitere Probe für Wiederholungstests gebeten.

Vergleich von Testmethoden für Anti-HBc

In einer polnischen Studie an etwa 1 Million Spendern wurden 28 HBV DNA+/HBsAg- Spender identifiziert. Von diesen waren die meisten (n = 21) Anti-HBc+. Die Spender waren entweder Anti-HBs+ (n = 5) oder Anti-HBs- (n = 23) [Brojer et al. 2006]. Eine jüngere Studie in den USA unterzog 22,4 Millionen Blutspenden einem NAT für HBV-DNA und serologischen Tests für Anti-HBc und HBsAg. Insgesamt betrug die OBI-Rate 1,81 pro 100.000 Personenjahre. Von den 404 identifizierten OBI-Proben wurden die meisten (89 %) durch ID-NAT erfasst, während der Rest (11 %) ausschließlich durch MP-NAT nachgewiesen wurden, was darauf hindeutet, dass die meisten OBI-positiven Spender HBV-DNA-Werte <5–10 Kopien/ml aufwiesen [Dodd et al. 2018].

Wie bereits erwähnt, können Viruslasten in OBI-Proben nahe an der Nachweisgrenze des NAT-Assays liegen. Das bedeutet, dass einige Blutspender, die negativ auf HBV-DNA und HBsAg getestet werden, aber auf Anti-HBc reagieren, eine HBV-aufweisen könnten, die unterhalb der Nachweisgrenze des NAT-Assays liegt. Daher wird Anti-HBc als wichtiger Indikator für OBI anerkannt, und Anti-HBc-Tests werden in mehreren geografischen Regionen routinemäßig als einer der Standard-Serologietests für Blutspender, insbesondere für HBsAg-negative Spender, eingesetzt. Allerdings sind Anti-HBc-Tests in einigen Regionen aufgrund von ungünstigen Kosten-Nutzen-Überlegungen und geringer Spezifität (eine hohe falsch-positiv Rate) umstritten. Dies kann zu unnötigen Verzögerungen für die Spender führen. Anti-HBc-Tests sind in Regionen mit hoher HBV-Endemizität (z. B. Subsahara-Afrika) von begrenztem Nutzen [Esposito et al. 2017].

In Ländern mit geringer HBV-Prävalenz, wie Kanada und den USA, wird jedoch beim Spender-Screening zusätzlich zum NAT ein Anti-HBc-Screening durchgeführt. Anti-HBs-Werte von >100 IE/l bieten einen ausreichenden Schutz gegen durch Transfusionen übertragene Infektionen, auch wenn das Blut anti-HBc+ ist. Deshalb implementieren viele Länder eine Blutscreening-Strategie, die Anti-HBs und Anti-HBc zusammen mit dem NAT überwacht. In Ländern mit mittlerer oder hoher HBV-Prävalenz könnte ein Screening auf Anti-HBc jedoch die nationale Blutversorgung beeinträchtigen, da der Anteil der Anti-HBc+-Spender höher ist.

Zusammenfassung der Herausforderungen und Lösungen bei OBI

  • OBI ist ein signifikanter Risikofaktor für die Übertragung von HBV durch Bluttransfusionen. Besonders in Regionen mit hoher HBV-Endemizität stellt dies ein erhebliches Risiko für Patienten dar, die sich Bluttransfusionen oder Organtransplantationen unterziehen.
  • NATs spielen eine entscheidende Rolle bein Nachweis von OBI und tragen zur Minimierung des Risikos einer HBV-Übertragung durch Transfusionen bei.
  • Generell müssen die Strategien und Algorithmen für Bluttests auf HBV, sowie das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Testverfahren anhand der HBV-Prävalenzdaten spezifischer Länder und Blutspendeeinrichtungen bewertet werden.

Literaturverzeichnis

  1. Esposito A, Sabia C, Iannone C, et al. Occult hepatitis infection in transfusion medicine: screening policy and assessment of current use of anti-HBc testing. Transfus Med Hemother 2017;44:263–72.
  2. Raimondo G, Allain JP, Brunetto MR, et al. Statements from the Taormina expert meeting on occult hepatitis B virus infection. J Hepatol 2008;49:652–7.
  3. Kwak MS, Kim YJ. Occult hepatitis B virus infection. World J Hepatol 2014;6:860–9.
  4. Allain JP, Mihaljevic I, Gonzalez-Fraile MI et al. Infectivity of blood products from donors with occult hepatitis B virus infection. Transfusion 2013;53:1405–15.
  5. Brojer E, Grabarczyk P, Liszewski G et al. Characterization of HBV DNA+/HBsAg– blood donors in Poland identified by triplex NAT. Hepatology 2006;44:1666–74.
  6. Dodd RY, Nguyen ML, Krysztof DE et al. Blood donor testing for hepatitis B virus in the United States: is there a case for continuation of hepatitis B surface antigen detection? Transfusion 2018;58:2166–70.
  7. Vermeulen M, Dickens C, Lelie N et al. Hepatitis B virus transmission by blood transfusion during 4 years of individual-donation nucleic acid testing in South Africa: estimated and observed window period risk. Transfusion 2012;52:880–92.